Veranstaltungsreihe „Zum Glück gibt es Punk?! – Ambivalenzen einer Subkultur“

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Eigentlich finden wir Punk ja voll knorke. Eigentlich. Immerhin hat Punk uns mal eine Möglichkeit gegeben unsere gefühlte Entfremdung von der Gesellschaft, unsere Unzufriedenheit und unseren Hass zu artikulieren. Als Jugendliche_r auf dem Dorf umgeben von Spießern oder im Nazikiez – mit Punk wussten wir, wir stehen auf der richtigen Seite. Aber stehen wir da wirklich so gut? Je genauer wir hinschauen, desto deutlicher werden uns Phänomene, die wir zwar scheiße finden, die aber trotzdem unter dem Label „Punk“ laufen. Woher kommt das? Hat das was mit uns zu tun? Und welche Erfahrungen haben andere gemacht? In der Reihe „Zum Glück gibt es Punk?! – Ambivalenzen einer Subkultur“ wird es um Sexismus, Machomentalität, Grau- und Braunzone, elitäres Gehabe und rebellische Attitüde ohne Substanz gehen. Es wird aber auch um Empowerment, Zusammenhalt, Politisierung und dem In-Frage-stellen von „Normalität“ gehen.

 

31.10. Subkulturelle Farbenlehre: Die Grauzone – Rechte Lebenswelten in Punk, OI und Deutschrock (Apabiz)

Immerhin: „Gegen Nazis“ sind viele, die sich in Subkulturen oder in der Populärkultur bewegen: Frei.wild-Fans auf der Fußball-Fanmeile oder auch OI-AnhängerInnen, die die Politik sowieso ablehnen. Doch jenseits der White-Power-Rockmusik etablieren sich rechte Lebenswelten, für die die Kategorie „Nazis“ genauso wenig zutrifft wie das Label „unpolitisch“. Sie sind irgendwo dazwischen, in der Grauzone. Diese Grauzone reicht weit hinein in „alternative“ Szenen und bedeutet einen zunehmenden Raumverlust für linke, emanzipatorische Ideen.
Die Veranstaltung wird den folgenden Fragen nachgehen: Wo beginnt die Grauzone, wo hört sie auf? Wieso erlebt sie heute Dynamik? Und was sind eigentliche „rechte Lebenswelten“? Entsprechende Strömungen in Punk und OI sind ebenso Thema wie die Popkultur von Böhse Onkelz und Frei.wild.
Zum Einen wird anhand von Beispielen aufgezeigt, wie eng manch „unpolitische“ KünstlerInnen aus der Grauzone mit extrem rechten Milieus verwoben sind. Zum Anderen gibt es unappetitliche Einblicke in reaktionäre Männerwelten, spießbürgerliche Rebellionsfantasien und in Wertebilder, die auf Ballermann-Partys und in Bildungszeitungs-Leserbriefen wahrlich besser aufgehoben wären als in links codierten Szenen.
Der Referent ist alternder Punkrocker und bietet eine differenzierte, aber bestimmt keine objektive Sicht der Dinge.

 
 
 

07.11. Zum Glück gab es Punk – Ute Wieners

Lesung + Diskussion:
Ute Wieners erzählt, wie aus einem verschlossenen, unglücklichen Mädchen eine selbstbewusste junge Frau wird. Denn: Zum Glück gab es Punk. Utes Kindheit ist geprägt von Lieblosigkeit, Einsamkeit und Gewalt. Vor dem Horror der Familienverhältnisse, dem Mobbing in der Schule und dem Mief der Provinzmetropole Hannover flieht sie in Traum und Parallelwelten. Doch nachdem Besuch eines Punkkonzerts im Unabhängigen Jugendzentrum Kornstraße weiß sie, wohin die Reise gehen wird. Ute ändert ihr Leben und wird Punk. Bald ist ihr klar: Es ist nicht einfach, sich den gewalttätigen und sexistischen Strukturen der Gesellschaft zu entziehen, denn auch diejenigen, die sich dagegen stellen, kennen nichts anderes. Ute Wieners entwirft ein Sittenbild der 1960er bis 1980er Jahre. Schonungslos berichtet sie von der hannoverschen Studentenbewegung, die sie als Kind erlebte, von Straßenschlachten mit der Polizei und von den Chaostagen. Böse und ironisch erzählt sie von gewalttätigen Skinheads und Normalbürgern, von kurzzeitigen Drogenfluchten, von der Gründung der Anarchistischen Pogopartei, und zeichnet eine radikal subjektive Geschichte des Punk, nicht nur in Hannover. Ute Wieners: Jahrgang 1962, Ex-Punkerin, Ex-Hausbesetzerin, Erwerbslose und Autorin, lebt in der einst besetzten Sprengel-Schokoladenfabrik in Hannover.

http://www.ute-wieners.de/

DIE VERANSTALTUNG IST RAUCHFREI.

Die Lesung wird durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen-Anhalt gefördert.

Eintritt: Spende an den Donnerstagstheken-Kulturfonds

 

 

 

14.11. Punk in der DDR – Torsten Hahnel

 

Im letzten Jahrzehnt des Bestehens fühlten sich die staatlichen Organe ganz besonders von einer Jugendsubkultur provoziert: Der Punkbewegung. Verbote von Bands und Kriminalisierung von Punks waren an der Tagesordnung. Eines der Zentren ostdeutscher Punkkultur, zu der auch Torsten Hahnel gehörte war Halle (Saale).

 

Eintritt gegen Spende an den Reil78-Donnerstagstheken-Kulturfonds.

 

 

 

28.11. Einmal Frauenpunk und zurück. Über ein unerforschtes Phänomen und was davon übrigblieb – Claudia Oltmanns

 

Lesung & Diskussion:
Im Rahmen dieses Vortrages wird Frauenpunk, ein unerforschtes Phänomen in den Blick genommen, dass in den 1990er Jahren im zeitlichen Kontext der Kommerzialisierung von Hardcore und der zunehmenden Popularisierung der us-amerikanischen Riot Grrrl-Bewegung auftauchte und schnell wieder verschwand. Die Akteur_Innen beschreiben es rückblickend als feministische Gegenbewegung zur ‚männlich’ dominierten Hardcoreszene und als einen Versuch, sich selbst einen Freiraum zu schaffen. Dieses Forschungsvorhaben fragt die Akteur_Innen nach ihren Erlebnissen, Erfahrungen und Motivationen. Der Weg zu den feministischen Praxen, die Kämpfe und Konflikte und die Frage danach, wie sie die Erfahrung rückblickend bewerten, stehen dabei im Mittelpunkt.

 

Der Vortrag wird von der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen-Anhalt gefördert.

Eintritt gegen Spende an den Reil 78-Donnerstagstheken-Kulturfonds.

 

 

 

16.01.14 Doppelvortrag zu Geschlechterverhältnissen in der Punk und DIY Szene

 

1.Teil: Noize, booze and revolution: Geschlechterverhältnisse in der DIY-Punkszene – Hans Berner (Halle)

 

Die Do-It-Yourself-Punkszene ist eine radikale zeitgenössische Synthese von Metal, Punk und Hardcore, die sich fernab ökonomischer Verwertung und massentauglicher Ästhetik versteht und untrennbar mit der linken Szene in Deutschland verbunden ist. Paradox anmutend fallen emanzipatorischer Impetus, der auch feministische Positionen beinhaltet, und eine von weißer Männlichkeit dominierte Struktur zusammen. Auf Grundlage einer ethnografischen Feldforschung und sozialwissenschaftlicher Beiträge wird beleuchtet, wie Geschlecht performativ hergestellt und männliche Dominanz in einer Egalität und Freiräume behauptenden Szene stabilisiert wird. Dabei finden historische und strukturell geschlechtsspezifische Zusammenhänge Beachtung. Die musikalischen Kämpfe sind, wie viele Kämpfe der linken Szene, in erster Linie von Männern und Männlichkeit dominierter Aktivismus, dessen Forderungen eher symbolische als reale Wirkung besitzen: gesamtgesellschaftliche Ungleichheiten werden fortschreitend reproduziert, die Benachteiligung von Frauen und die Verdrängung von Weiblichkeit an die Peripherien scheinen der Szene eingeschrieben.

 

2.Teil: „…wir pfuschen euch in eure beschissene heterosexuelle Matrix!“ Männlichkeitskonstruktionen in Punkrock und DIY zwischen Subversion und Reproduktion – Martin Winter (Aachen, Graz)

 

Punkrock und Hardcore verstehen sich nicht nur als Musikgenres, sondern verbinden mit der Musik auch radikale politische Ansprüche. Doch sind damit auch andere Formen des Musikmachens verbunden, oder beschränkt es sich auf politische Texte und das spielen in selbstverwalteten Kontexten? Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Punkrock und Hardcore, ähnlich wie andere Formen der Rockmusik, von Geschlechterungleichheiten durchzogen sind. Auf der Grundlage ethnografischer Feldforschung wird hier nun nachgezeichnet, wie verschiedene Männlichkeitskonstruktionen mit dem Musikmachen im Punkrock und Hardcore zusammenhängen. Auf der einen Seite steht eine feministisch motivierte Abgrenzung vom sexistischen Mackertum und „herumgepose“ anderer Musikgenres, wie u.a. Metal und Metalcore. Auf der anderen Seite zeigen sich aber Ambivalenzen zwischen stereotypen Geschlechterbildern, DIY als Leistungsethik und emanzipativer Rhetorik.

 

Eintritt: Spende an den Donnerstagstheken-Kulturfonds