Offener Brief: Aufklärung im Fall Oury Jalloh!
Offener Brief an Justizministerin Anne-Marie Keding und die Staatsanwaltschaft Halle
Sehr geehrte Frau Justizministerin Keding, sehr geehrte Staatsanwaltschaft Halle,
wir, zivilgesellschaftliche, kulturelle und politische Initiativen aus Halle und Umgebung, fordern von Ihnen die Wiedereröffnung des Ermittlungsverfahrens im Todesfall Oury Jalloh. Am 7. Januar 2005 ist Oury Jalloh in der Zelle Nr. 5 der Dessauer Polizeistation verbrannt. Zwölf Jahre später wurden die Ermittlungen in diesem Fall an die Staatsanwaltschaft Halle übertragen. Zwölf Jahre, in denen die Ermittlungen in Dessau verschleppt wurden, Polizisten absichtlich Gerichtsprozesse torpedierten und die Proteste laufend kriminalisiert wurden. Selbst der damalige Vorsitzende Richter Manfred Steinhoff sagte 2008 über den Prozess gegen die beschuldigten Polizeibeamten: „Dieses Verfahren ist gescheitert. Das, was hier geboten wurde, war kein Rechtsstaat mehr, und Polizeibeamte, die in besonderem Maße dem Rechtsstaat verpflichtet waren, haben eine Aufklärung verunmöglicht.“ [1]
Im Juni 2017 werden die Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft Halle übertragen. Erst am 16. August wird das per Pressemitteilung öffentlich gemacht. [2] Auch die Nebenkläger müssen von diesem Vorgang aus der Presse erfahren. Am 30. August fragt eine Anwältin der Nebenklage telefonisch bei der Staatsanwaltschaft Halle an, wer in Halle mit dem Fall betraut sei. Sie erhält die Antwort, dass der Staatsanwaltschaft kein Verfahren mit diesem Aktenzeichen vorliegt. [3] Zwei Monate später, am 12. Oktober, werden die Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft Halle offiziell eingestellt. [4] In der abschließenden Landtagsdebatte verweist die Linke „auf ein Fax der Staatsanwaltschaft an die Vertreter der Nebenklage, demzufolge schon am 30. August Gründe für die abschließende Entscheidung [zur Einstellung, Anm. d. Verf.] dargelegt worden seien.“ [5] Wie kann es sein, dass zwischen der Übertragung der Ermittlungen und deren Veröffentlichung zwei Monate vergehen? Warum wurde die Nebenklage nicht über die Verlagerung der Ermittlungen informiert? Und war die Entscheidung zur Einstellung des Verfahrens schon Ende August getroffen, wiederum źwei Monate bevor sie der Öffentlichkeit mitgeteilt wurde? Diese Fragen erwecken ernste Zweifel an der Seriosität und dem Willen zu Transparenz und Aufklärung im Fall Oury Jalloh auch bei der Staatsanwaltschaft Halle.
Sehr geehrte Frau Keding, sehr geehrte Damen und Herren der Staatsanwaltschaft Halle, Fakt ist: Oury Jalloh ist in staatlicher Obhut umgekommen. Die Aufklärung des Falls wurde von Anfang an von offensichtlichem Fehlverhalten der zuständigen Personen und Behörden behindert. Medien und Richter haben den Vorwurf der absichtlichen Vertuschung erhoben. Vor diesem Hintergrund kann man diesen Fall nicht abschließen mit der lapidaren Begründung, eine Selbstanzündung des Opfers könne nicht ausgeschlossen werden – insbesondere wenn auch Mord nicht ausgeschlossen werden kann.
Wir fordern: Aufklärung im Fall Oury Jalloh!
[1] https://www.welt.de/politik/deutschland/article5788390/Oury-Jallohs-Tragoedie-und-der-Zorn-des-Richters.html
[2] http://www.presse.sachsen-anhalt.de/index.php?cmd=get&id=886130&identifier=dbb693479b24f5c32225b33b70d03375
[3] https://www.facebook.com/oury.jalloh.77/posts/10207862529999981
[4] http://www.presse.sachsen-anhalt.de/index.php?cmd=get&id=887297&identifier=692c4dc3227558b23e7c4d64fd7a69de
[5] https://www.volksstimme.de/sachsen-anhalt/fall-jalloh-ministerium-weist-vorwuerfe-zurueck
Erstunterzeichnende:
Andreas Eisold
Arbeitskreis Zivilklausel des Studierendenrates der Uni Halle
Bündnis Dessau Nazifrei
Bündnis Querfurt für Weltoffenheit
DIE LINKE. Querfurt/Weidaland
Erich-Zeigner-Haus e.V. Leipzig
Feine Sahne Fischfilet
Gefangenen-Gewerkschaft GG/BO – Leipzig
gruppe polar
Halle gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage
Irena Rudolph-Kokot, Stellv. Bundevorsitzende der AG Migration und Vielfalt in der SPD
Irie Révoltés
Jule Nagel, MdL DIE LINKE, Sachsen
Kellnerstraße e.V.
Klaus und Karin Hildebrandt, DIE LINKE, DESSAU NAZIFREI und GELEBTE DEMOKRATIE
Linksjugend [’solid] Leipzig
Linksjugend Solid Halle
Linksjugend Solid Sachsen-Anhalt
No Halgida
Refpolk
Reilstraße 78
Richard Gauch, Preisträger „Couragiert in Leipzig“ – 2013 und Preisträger der Rosa Luxemburg Stiftung Sachsen für Zivilcourage und beherztes Engagement „Christel Hartinger Preis“ – 2017
SDS Halle – Linke Hochschulgruppe
sookee
VL – Die Kneipe
Weitere Unterzeichnende (Stand 21.10.2017, 18 Uhr):
26. Offene Linke Liste MLU
27. no lager Halle
28. Simone Mertsch
29. Gottfried Ohnmacht-Neugebauer
30. Maria Albert
31. Prof. Dr. Jakob Ullmann, Komponist und Autor, Naumburg/Saale – Basel
32. Keywan Tonekaboni, Antidiskriminierungs-Berater aus Magdeburg
33. Christin Zenker, PhD-Studentin der Germanistik an der Washington University in St. Louis
34. Lina Render
35. Roma Antidiscrimination Network RAN
36. alle bleiben!
37. Black Lives Matter Berlin
38. Mic Oala
39. Offenes Antifaplenum Halle
40. Andrea Kirchner
41. Patricia Eckermann, Autorin, TV
42. Capuze e.V./Hasi
43. Babs Lang
44. Frauenkreise Berlin
45. Anta Helena Recke
46. Mädchenmannschaft e.V.
47. Azadeh Sharifi
48. Joseph Waka
49. Claudia Silbermann
50. Kobito, Musiker/Journalist
51. Adele Dittrich Frydetzki
52. Christele
53. Michael Peters
54. Johanna Nicolai
55. Antirassismus AG Uni Bielefeld, Arbeitsgruppe des AStA mit Schwerpunkt Anti-Rassismus
56. Marten Flegel
57. Danai Chatzipetrou
58. Grüne Jugend Leipzig
59. Margaretha Meier
60. Judith Altenbockum
61. Calendal Klose
62. Jonah Garde
63. Daniel Schauf, Künstler
64. Azizi
65. Henrike Müller-Mahn, Studentin der Erwachsenenbildung
66. Rhea Schmitt
67. Marja Christiand
68. Gabriele Koné
69. Alle Frauen* Referat Uni Hamburg
70. Chris Wendlandt
71. Tahir Della
72. Rose Ekoule-Djengue
73. Dodo Karsay
74. Jerrad Adomah
75. Johanna Trautner
76. ISD Bund – Initiative Schwarze Menschen in Deutschland
77. Matthias Galle, Initiative „Progrom 91“
78. Jan Rathmann
79. Csilla Horvath
80. Karsten Schwarze
81. copwatch ffm, Informations- und Dokumentationsstelle für Betroffene rassistischer Polizeigewalt
82. Felix Böhmer
83. Libertäre Gruppe Karlsruhe
84. Sven Gerstenberger
85. Treffpunkt Asyl Bochum
86. Ruben Fernandez
87. Coalition international des Sanspapiers et Migrants, Paris, Bruxelles, Roma, Tunis, Rabat, Dakar, Mannheim
89. Svetoslava Maslinkova
90. RM16, Selbstverwaltetes Wohn- und Kulturprojekt in Dresden
91. Joris Kern
92. Victor Schenke
93. Willi Wildgrube, Leipzig
94. Hannes K.
95. M. Ebert
96. Mareike Will
97. Haide Will
98. Altun
99. Dina Ukule
100. Sigrid Grollmuss
101. Malin Herzmann
102. Roter Stern Leipzig
103. Rebekka Will
104. Sandra Heil
105. Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“
106. Julia Marth, Black Mountain Switzerland
107. Anton Wittmann
108. Thomas Eggeling, M.A., Philosoph und Theologe (Lehrauftrag)
109. Lukas Wanke
110. Thomas Möller
111. Lothar König, JG-Stadtmitte Jena, Pfarrer
112. Oliver Eidam
113. JUSTIZWATCH, Prozessbeobachtungsgruppe zum Thema Rassismus und Justiz in Berlin
114. Paula Metzig
115. Cathy Louriou
116. Mark Feilitzsch, Rechtsanwalt
117. Stefan Wagner